Analysen

Wohnmobile und CO2-Ausstoß: Endet das Vanlife 2025?

Freiheit, Unabhängigkeit und immer der Sonne nach: Vanlife steht für einen entspannten Lebensstil, dessen Mittelpunkt der Campervan bildet. Die schweren und wenig aerodynamischen Fahrzeuge stoßen jedoch oft verhältnismäßig viel CO2 aus. Daher stellt sich die Frage welche Rolle die ab 2025 geltenden strengeren CO2-Emissionsgrenzwerte für das Segment der Wohnmobile spielt.

Inhalte des Beitrags

Einleitung

Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben: Ab 2025 gelten strengere Grenzwerte für die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen in der EU. Für Pkw sinkt dieser Wert von aktuell 115,1 g/km auf 93,6 g/km, also um etwa 19%. Von diesem Basiswert ausgehend, erhält jeder Hersteller ein individuelles Ziel, das auch das Gewicht der verkauften Fahrzeuge berücksichtigt. Allerdings liegen alle Hersteller aktuell unter ihren Zielen, die tatsächlich zu erreichende Verringerung des CO2-Ausstoßes ist also etwas niedriger als oben genannte 19%. Denoch sehen sich alle mit der Notwendigkeit einer deutlichen Reduktion der Emissionen konfrontiert.

An dieser Stelle sei direkt vorwegnommen, dass Wohnmobile von einer Ausnahmeregelung profitieren, da sie als „Fahrzeug mit besonderer Zweckbestimmung“ (engl. special purpose vehicle) gelten. Die EU-Verordnung, die das Thema der CO2-Flottenemissionen von Kraftfahrzeugen regeln, schließt diese Fahrzeugkategorie explizit aus. Das bedeutet konkret, dass Wohnmobile nicht in die Berechnung der durchschnittlichen Emissionswerte eines jeden Herstellers mit einbezogen werden – sie verschlechtern trotz ihrer hohen CO2-Emissionen also nicht die Bilanz.

Betrachtet man das folgende kleine Rechenbeispiel, dann zeigt sich wie stark die Hersteller von dieser Regelung profitieren:

Nehmen wir vereinfacht an, dass für Volkswagen ein CO2-Grenzwert von 100 g/km gilt.

  • VW verkauft einen Grand California (ein Campervan auf Basis des Crafter) mit einem CO2-Ausstoß von 300 g/km.
  • Würde dieses Fahrzeug für die Flottenemissionen von VW mitzählen, müssten also auf einen Grand California jetzt zwei BEV (mit CO2-Ausstoß 0 g/km) kommen, sonst liegt man über dem durchschnittlichen Grenzwert.

Der negative Einfluss auf die CO2-Bilanz wird also komplett ausgeschlossen. Für die Hersteller ist das natürlich ideal, denn mit dem Verkauf der Basisfahrzeuge oder auch der fertigen Wohnmobile lassen sich hohe Margen erzielen. Anders als bei normalen Pkw, ist für Wohnmobile im Jahr 2025 nicht damit zu rechnen, dass Hersteller die Verkaufsförderung zurückfahren oder Preise erhöhen. Beides sind Maßnahmen, die im restlichen Markt wahrscheinlich angewendet werden um die CO2-Flottenemissionen zu steuern.

Welchen CO2-Ausstoß hat ein Wohnmobil?

Hier muss man natürlich unterscheiden, welchen Wert man genau meint. Für Herstellung und Entsorgung eines Wohnmobil fallen laut Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg – je nach Bauart – zwischen 15,2 und 18,8 Tonnen CO2-Äquivalent an (siehe hier). Hinzu kommt der CO2-Ausstoß im Fahrbetrieb und strenggenommen natürlich bei der stationären Nutzung (Strom- und Gasverbrauch beim Kochen, etc.).

Die oben erwähnte Studie wurde im Auftrag des Caravaning Industrie Verband e.V. (CIVD) erstellt und kommt zusätzlich zu dem Schluss, dass bei Camping-Reisen mit dem Wohnmobil weniger CO2 emittiert wird als bei der Urlaubsvariante Pkw plus Hotel. Dennoch sind die die CO2-Emissionen im Fahrbetrieb stark überdurchschnittlich, zudem liegt die durchschnittliche Fahrleistung von Wohnmobilen je nach Quelle zwischen 7.000 und 9.800 km. So entstehen beim Fahren eines Campervans oder Reisemobils beträchtliche CO2-Emissionen.

Die beliebten Modelle California und Grand California von Volkswagen geben einen guten Überblick über die CO-Emissionen (nach WLTP, kombiniert) von Wohnmobilen in den beiden wichtigen Größenklassen:

VW California (auf Basis des VW Transporter)

  • Benzin: 201 bis 213 g/km
  • Diesel: 171 bis 183 g/km
  • Plug-in-Hybrid (Benzin): 19 bis 22 g/km

VW Grand California (auf Basis des VW Crafter)

  • Diesel: 282 bis 298 g/km

Zum Vergleich: Ein VW Tiguan Diesel liegt je nach Motorisierung bei 139 bis 175 g/km.

Entwicklung der Wohnmobil-Neuzulassungen

Ein Effekt der Covid-19-Pandemie war eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Wohnmobilen. Die potenzielle Nähe zur Natur und ein hoher Grad an Unabhängkeit waren in Zeiten von Lockdowns und Social Distancing gute Argumente für den Kauf eines Campervans. Deutschland war und ist dabei der mit Abstand wichtigste Markt für Wohnmobile, Wohnwagen und andere Freizeitfahrzeuge. Laut Analysen des Branchenverbands Caravaning Industrie Verband e.V.  (CIVD) entfallen über 40% der europäischen Neuzulassungen auf den deutschen Markt (hier nachzulesen).

Tatsächlich sind die Neuzulassungen von Wohnmobilen in Deutschland bereits deutlich vor der Corona-Zeit gestiegen. Im Jahr 2015 waren es etwa 28.300 Einheiten, 2018 schon über 46.800 Stück. Der Marktanteil stiegt in der Zeit von 0,9% auf 1,4%.

Dieses beeindruckende Wachstum wurde dann seit 2019 noch einmal deutlich übertroffen. Der bisherige Rekordmarktanteil lag bei 3,0% im Jahr 2021 (79.592 Neuzulassungen). Auch das laufende Jahr zeigt einen hohen Marktanteil und die erwarteten Neuzulassungen werden ein gutes Stück über dem Vorjahreswert liegen. Die durchschnittlichen Neuzulassungen pro Monat liegen mit 6.671 Stück in 2024 (Jan-Okt) sogar höher als in in allen Jahren zuvor (6.633 waren es im bisherigen Rekordjahr 2021). Es ist also gut möglich, dass ein neuer Rekord ansteht.

Die meistverkauften Wohnmobile (Basisfahrzeuge) in Deutschland

Tatsächlich haben sich zwei Modelle deutlich vom Rest abgesetzt und sind die mit Abstand beliebtesten Basisfahrzeuge für Wohnmobile:

  • Fiat Ducato
  • Citroen Jumper

Beide Marken gehören zum Stellantis-Konzern, aber schon vorher wurden auf Basis des Ducato baugleiche Modelle für Citroen und Peugeot gefertigt. Der Fiat Ducato und Stellantis haben also eine herausragende Rolle im Campervan-Markt eingenommen und das zeigt sich auch in den Marktanteilen.

Die TOP 10 Wohnmobile (Basisfahrzeuge) in Deutschland in den letzten 5 Jahren

RangModellWohnmobil-Neuzulassungen
(Jan. 2019 bis Okt. 2024)
Marktanteil
(im Wohnmobil-Segment)
1Fiat Ducato178.83743,7%
2Citroen Jumper63.07715,4%
3VW Transporter39.0209,5%
4Ford Transit30.8257,5%
5Mercedes Sprinter23.2925,7%
6Peugeot Boxer13.4433,3%
7VW Crafter13.0923,2%
8Mercedes V-Klasse11.2232,7%
9Iveco Daily4.9751,2%
10Citroen Jumpy4.1881,0%
>10Sonstige11.2232,7%
Tabelle 1: TOP 10 Modelle im Segment Wohnmobile, Jan. 2019 bis Okt. 2024.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), eigene Berechnung und Darstellung.

Es gibt wenige Segmente mit einer ähnlich starken Dominanz eines Modells wie der Ducato (und seine Derivate) sie bei den Wohnmobilen inne hat. Inklusive der baugleichen Modelle Citroen Jumper und Peugeot Boxer sind es sogar über 60% Marktanteil.

Eine Besonderheit der beiden beliebtesten Modelle ist ihre enorm hohe Relevanz für die jeweilige Marke. So steht der Ducato im betrachteten Zeitraum für 39% der Fiat-Neuzulassungen, der Citroen Jumper für 24%.

Fiat Ducato und Citroen Jumper: Hohe Verkaufszahlen treiben den eigentlichen CO2-Ausstoß in die Höhe

Im Sinne der Regulierung spielen die CO2-Austöße von Wohnmobilen letztlich keine Rolle, allerdings lässt sich ihr Einfluss trotzdem klar aufzeigen. Am Beispiel von Fiat und Citroen in Deutschland zeigt sich die eigentlich hohe Bedeutung von Wohnmobilen für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß eines Herstellers.

Wohnmobile werden in der Zulassungsstatistik des Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als Pkw erfasst und zählen damit auch in den durchschnittlichen Pkw-CO2-Ausstoß, der vom KBA ebenfalls ermittelt wird. Hierfür wird einfach das arithmetische Mittel des kombinierten CO2-Ausstoß nach WLTP aller Pkw gebildet. Die Berechnung ist also anders als die eigentliche relevante Berechnungsmethode der EU, die die Basis für eventuelle Strafzahlungen bildet.

Die Abbildungen verdeutlichen die hohen Anteile des Ducato und Jumper an den Zulassungen von Fiat beziehungsweise Citroen. Bei Fiat gab es die höchste Zahl an Ducato-Verkäufen im Jahr 2020, also sogar ein Jahr vor dem Rekord im Wohnmobil-Segment. Ab 2022 wurden die Volumen deutlich zurückgefahren, auch die Anteile sind gesunken. Im laufenden Jahr 2024 sind die Ducato-Verkäufe wieder deutlich angezogen und auch der Anteil ist stark gestiegen.

Der Zusammenhang von Ducato-Anteil und CO2-Emissionen ist bei Fiat mehr als deutlich. In den Jahren 2022 und 2023 wurden zudem hohe Volumen des Fiat 500e erzielt, die den CO2-Durchschnitt zusätzlich gesenkt haben.

Bei Citroen sieht es etwas anders aus. Die Jumper-Volumen sind bis 2022 stetig gestiegen, seitdem sind sie aber rückläufig. Citroen hat das Produktportfolio überarbeitet, ab 2022 mehr Elektrofahrzeuge verkauft und zudem seit 2023 die Abhängigkeit vom Jumper reduziert. Zwar gibt es auch in 2024 noch mal eine Beschleunigung bei den Jumper-Neuzulassungen, aber die restliche Modellpalette entwickelt sich stärker. Dadurch fällt der Jumper-Anteil auch im Jahr 2024.

Zusammenfassung

Nein, das Vanlife ist nicht in Gefahr. Was für viele Verbrenner-Pkw in 2025 gilt – nämlich, dass sie teurer werden dürften – ist bei Wohnmobilen nicht wirklich zu erwarten. Grund ist eine Ausnahmeregelung, die diese Fahrzeugkategorie aus der Berechnung für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß des jeweiligen Herstellers ausschließt. Neuzulassungen ohne Reue – zumindest auf dem Papier.

Für die Hersteller ist das sicherlich eine gute Nachricht und auch Kaufinteressierte können sich freuen, dass keine wesentlichen Preissteigerungen zu erwarten sind. Aus Umweltgesichtspunkten bin ich mir nicht ganz so sicher. Wohnmobile haben in der Regel deutlich höhere CO2-Emissionen als andere Pkw und stehen immerhin für fast 3% der deutschen Neuzulassungen. Bei manchen Herstellern (z.B. Fiat) sind es allerdings deutlich über 40%. Der vollständige Ausschluss derart hoher Verkaufsanteile aus der Berechnunsgrundlage kann daher nur begrenzt im eigentlichen Sinne der CO2-Regulierung sein.

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