Analysen

Hersteller-Check: Stellantis

Teil 1 von 2

Einleitung und Überblick

Im Januar 2021 entsteht am Schreibtisch einer der größten Automobilkonzerne der Welt. Seit knapp anderthalb Jahren wurde an dem Zusammenschluss gearbeitet, die Wettbewerbsaufsicht gab schließlich zum Jahresende 2020 grünes Licht und es konnte losgehen: Aus der von Carlos Tavares geleiteten Groupe PSA (Peugeot & Citroen) und FCA (CEO damals war Michael Manley) wurde Stellantis. Ein absoluter Weltkonzern mit klaren Schwerpunkten in Frankreich, Italien und den USA. Mit von der Partie ist eine deutsche Traditionsmarke: PSA hatte Opel im Jahr 2017 von der US-Muttergesellschaft General Motors (GM) gekauft. Die Marke mit dem Blitz ergänzt das umfangreiche Markenportfolio als einzige deutsche Brand. Geleitet wird der entstandene Gigant seitdem vom Portugiesen Carlos Tavares, der seit 2014 auch schon die Groupe PSA geführt hatte.

Im folgenden Beitrag nähern wir uns dem Stellantis Konzern von groß nach klein, von der globalen Perspektive zum deutschen Markt – dabei den Blick immer auf Verkaufsvolumen bzw. Neuzulassungen gerichtet. Im zweiten Teil des Hersteller-Checks zu Stellantis, der zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird, wird der Fokus auf den Finanzergebnissen liegen.

Überblick der Inhalte:

Steckbrief: Stellantis (Stellantis N.V.)

Gegründet2021 durch Fusion von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) mit Groupe PSA.
MarkenAbarth, Alfa Romeo, Chrysler, Citroën, Dodge, DS, Fiat, Jeep, Lancia, Maserati, Opel/Vauxhall, Peugeot und Ram.
Größte Marke
(nach Verkäufen in 2023)
Fiat ist mit 1,35 Millionen Einheiten (+12% vs. 2022) die größte und auch globalste Marke von Stellantis. In Italien, Brasilien, der Türkei und Algerien ist die Turiner Ikone Marktführer.
Verkäufe
(in 2023)
6,39 Mio. Einheiten, davon 2,81 Mio. in der Region Enlarged Europe, 1,90 Mio. in North America, die restlichen Einheiten verteilen sich auf die Regionen South America, Middle East & Africa und China and India & Asia Pacific.
Jahresumsatz189,5 Mrd. Euro (2023) nach 179,6 Mrd. Euro im Vorjahr (+6%).
Marktkapitalisierung59,8 Mrd. Euro (per Ende 2023), 44,4 Mrd. US-Dollar (aktuell, 01.08.2024).
BesonderheitenZwar ist das Markenportfolio vermutlich eines der Größten, aber bei Lancia und Chrysler wird aktuell je nur ein Modell vermarktet. Die Marke Lancia wird zudem gerade erst wieder außerhalb Italiens etabliert.

Mit 13 Marken (14, wenn man Opel und Vauxhall als zwei unterschiedliche Marken zählt) und unzähligen Baureihen im Bereich Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ist Stellantis ein wahrer Gigant der Branche, auf allen Kontinenten vertreten und im Jahr 2023 der nach Absatz viertgrößte Automobilhersteller der Welt. Lediglich Toyota, Volkswagen und Hyundai Motor konnten im selben Zeitraum mehr Einheiten absetzen.

Das Unternehmen teilt die Verkäufe und Finanzergebnisse nach fünf geografischen Regionen auf:

  • North America
  • Enlarged Europe
  • South America
  • Middle East & Africa
  • China and India & Asia Pacific
  • Maserati; die italienische Marke wird keiner Region zugeordnet und separat ausgewiesen

Verkäufe

Weltweit

Es wird schnell deutlich, dass North America und Enlarged Europe die beiden relevantesten Regionen für Stellantis sind. Etwa 75% der Verkäufe finden dort statt. Auffallend ist die geringe Relevanz der Region China and India & Asia Pacific – China gehört definitiv nicht zu den relevanten Märkten von Stellantis. Allerdings wurde Ende 2023 eine Partnerschaft mit dem chinesischen Hersteller Leapmotor in die Wege geleitet, die dem perspektivisch entgegen wirken soll (hier gibt es mehr dazu).

Die ersten sechs Monate sind die absatzschwächsten der letzten fünf Halbjahre und verglichen mit dem bisherigen Höchststand (H1 2023) sind die Verkaufsvolumen in allen Regionen rückläufig.

Europa

Stellantis kann die Verkäufe im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum nahezu konstant halten (+0,1%), verliert aber im insgesamt wachsenden (+4,4%) europäischen Markt 0,8 Punkte Marktanteil und liegt per Ende Juni 2024 bei 16,6%. Damit ist man nach der Volkswagen Gruppe (25,6%) der nach Absatz zweitgrößte Hersteller Europas. Auf Platz drei folgt mit einigem Abstand die Renault Gruppe (9,8%) mit ihren drei Marken Renault, Dacia und Alpine.

Für die Region Enlarged Europe gibt Stellantis einen EV-Marktanteil von 13,2% für die ersten sechs Monate des Jahres an. Damit liegt man unterhalb des Gesamtmarktanteils in des Region. Bei den EV-Sales liegt der Konzern also etwas unterhalb seines eigentlichen Niveaus.

Innerhalb Europas sind die Ergebnisse je Land und Marke natürlich unterschiedlich und für den ersten Überblick betrachtet wir die Ergebnisse je Marke innerhalb der EU, UK und EFTA (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein). Wenig überraschend sind die vier europäischen Generalisten Peugeot, Opel, Citroen und Fiat (inkl. Abarth) die mit Abstand relevantesten Marken und stehen im ersten Halbjahr 2024 für über 85% der Pkw-Verkäufe.

Mit einigem Abstand folgt Jeep, die kleineren Marken sind Alfa Romeo, Lancia, DS. Erstaunlich ist das Ergebnis von Lancia, die eigentlich nur noch in Italien und mit nur einem Modell im Grunde genauso viele Fahrzeuge verkaufen wie Alfa Romeo mit einer kleinen Modellpalette in ganz Europa. Zwischen Januar und Juni hat Lancia allein in Italien 24.691 Neuzulassungen verzeichnet (+2,8% vs. H1 23). Alfa kommt in der Zeit auf etwa die Hälfte und muss sich mit einem Rückgang von fast 17% abfinden.

Die 12.178 Neuzulassungen von Alfa Romeo in Italien entsprechen grob 50% der europäischen Gesamtverkäufe, bei Fiat ist es ähnlich. Die Turiner kommen in Italien auf 95.602 Neuzulassungen (sind damit klarer Marktführer), was auch etwa der Hälfte ihrer Neuzulassungen in Europa entspricht. Betrachtet werden dabei lediglich die Pkw-Neuzulassungen, die Angaben zum italienischen Markt kommen von der Unione Nazionale Rappresentanti Autoveicoli Esteri (UNRAE).

Bei den französischen Marken und Opel ist das Ergebnis (mit Ausnahme von DS) nicht ganz so stark vom Heimatmarkt bestimmt:

MarkeNeuzulassungen H1 2024 im HeimatmarktAnteil am jeweiligen Neuzulassungen in Europa
Peugeot129.298 (FR)37%
Opel77.214 (DE)33%
Citroen65.525 (FR)29%
DS10.429 (FR)49%
Quellen: Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und Comité des Constructeurs Français d’Automobiles (CCFA), eigene Berechnung und Darstellung.

Fokus Deutschland

Verkäufe

Der deutsche Pkw-Markt scheint für Stellantis ein gutes Pflaster zu sein und entgegen dem gesamteuropäischen Trend konnte man die Verkäufe deutlich steigern (+21%) und den Marktanteil deutlich anheben. Nach den ersten sechs Monaten sind es 12,8% und damit 1,6 Punkte mehr als per Ende Juni 2023. Wie zu erwarten, belegt Opel den ersten Platz im Markenranking, gefolgt von Fiat und den beiden französischen Marken Peugeot und Citroen. Das französische Doppel ist auch der wesentliche Grund für die starken Ergebnisse. Aber auch Opel kann deutlich zulegen. Jeep und DS entwickeln sich ebenfalls sehr positiv, fallen dabei aber aufgrund des geringen Verkaufsvolumens nicht sonderlich ins Gewicht.

Der Markanteil bei batterieelekrischen Pkw liegt bei lediglich 6,3% und damit etwa um die Hälfte niedriger als im Gesamtmarkt. Der Verkauf von Elektroautos steht also in diesem Jahr nicht wirklich auf der Prioritätenliste. Opel und Fiat kommen jeweils auf über 4.000 EV-Neuzulassungen im ersten Halbjahr, Peugeot schafft immerhin fast 1.800, Citroen etwas mehr als 800. In Summe konnte der Konzern 11.580 Stromer auf deutsche Straßen bringen. Wichtigestes Modell war – wenig überraschend – der Fiat 500 (3.638 Neuzulassungen), gefolgt vom Opel Corsa (2.079) und Opel Mokka (939).

Bei Alfa Romeo kann man hingegen mit den Ergebnissen in Deutschland nicht zufrieden sein: Kurz vor Auslieferung der ersten Einheiten des neuen kompakten SUV-Modells Milano, sind die Neuzulassungen stark rückläufig. Bemerkenswert ist die stille Rückkehr von Lancia, die in der Grafik unter Andere enthalten sind und im Juni 2024 die erste Neuzulassung in Deutschland seit 2016 feiern durften. Das ist zumindest ungewöhnlich, denn immerhin ist die Einführung des neuesten Modells (Ypsilon) erst für 2025 angekündigt worden – gut möglich, dass sich ein treuer Lancia-Fan selbst um den Import eines Ypsilon der aktuellen Generation aus Italien gekümmert hat.

Opel steht in Deutschland für 41% der Stellantis Verkäufe und führt das Ranking damit deutlich an. Es folgt eine Dreiergruppe aus Fiat (inkl. Abarth), Peugeot und Citroen, die alle drei zwischen 17% und 19% Anteil an den Stellantis-Ergebnissen haben. Die vier Topmarken kommen auf fast 94% des Gesamtvolumens, in Europa waren es „nur“ 85%. Die anderen Konzernmarken sind also in Deutschland deutlich weniger relevant.

Verkaufskanäle

Hier wird es spannend, denn zwischen den Marken gibt es große Unterschiede, wobei sich schon ein grundsätzlicher Trend abzeichnet. Im Vergleich zum Gesamtmarkt ist Stellantis -zumindest in den ersten sechs Monaten 2024 – taktischer unterwegs. Das bedeutet, dass ein größerer Anteil an Verkäufen auf die taktischen Kanäle Autohaus und Vermieter entfallen. Beide sind im Allgemeinen leichter zu steuern, verursachen aber im Gegenzug höhere Vertriebskosten als die Kanäle Privat- und Unternehmenskunden.

Citroen und Fiat sind sich recht ähnlich mit dem Fokus auf den Autohaus-Kanal und dem relativ geringen Gewicht in der Kategorie Unternehmen. Allerdings wirft das natürlich auch besonderes Licht auf die starke Entwicklung der Neuzulassungen bei Citroen.

Opel ist stark im gewerblichen Bereich und völlig im Marktdurchschnitt, was die taktischen Kanäle angeht. Deutlich unterdurchschnittlich, auch im Vergleich mit anderen Stellantis-Marken, ist die Privatkunden-Performance. Scheinbar ist die Begehrtheit für die Modelle mit dem Blitz aktuell nicht sonderlich hoch, beziehungsweise eher eine Frage des Preises.

Der Kanalmix von Peugeot sieht im Verhältnis zu den anderen Stellantis-Marken und dem Gesamtmarkt am „saubersten“ aus. Der hohe Vermieteranteil ist sicherlich nicht optimal und auch der Anteil an gewerblichen Kunden außerhalb von Autohäusern und Autovermietungen ist ausbaufähig, aber man kann einen guten Privatkundenanteil ausweisen und muss sich nicht zu stark auf Eigenzulassungen (Autohaus) stützen.

TOP 5 Modelle

Nach dem Blick auf die Marken kommt zum Abschluss noch ein Blick auf die erfolgreichsten Modelle von Stellantis in Deutschland. Bei den Baureihen mit den meisten Neuzulassungen im ersten Halbjahr 2024 finden sich wenig überraschend zwei Modelle von Opel an der Spitze. Allerdings konnte der Astra im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sehr starke 174% zulegen: die Verkäufe wurden also weit mehr als verdoppelt, fast sogar verdreifacht. Für den Corsa ging es hingegen um über 20% abwärts.

Ein echte Überraschung – zumal wenn wie hier die Pkw-Neuzulassungen betrachtet werden – ist der Fiat Ducato auf Platz 3. Der eigentliche Schocker ist aber der Platz Nummer 4. Tatsächlich hat Fiat in Deutschland zwischen Januar und Juni mehr Ducatos in die Neuzulassung gebracht als 500. Der Ducato taucht aufgrund seiner Beliebtheit als Campervan in diesem Ranking auf. Wohnmobile oder Campervans unterliegen der Pkw-Homologation (M1) und werden dementsprechend als Pkw zugelassen. Der Ducato ist nicht nur Stellantis‘ Nummer 3 in Deutschland sondern auch einer der beliebteste Pkw-Kastenwagen.

Ähnlich schockierend ist die unfassbare Entwicklung des Citroen C3. Eine Steigerung von mehr als 326% ließ mich zunächst am Ergebnis zweifeln, aber der Check hat ergeben: das stimmt so wirklich. Die Neuzulassungen der C3-Baureihe (C3 und C3 Aircross) haben sich tatsächlich mehr als vervierfacht. Der hohe Autohaus-Anteil aus dem vorherigen Abschnitt macht klar, dass nicht alle diese Fahrzeuge direkt einen neuen Besitzer gefunden haben und jetzt als Tageszulassung mit hohen Nachlässen auf ihren Zweitbesitzer warten. Aber beeindruckend ist es trotzdem. Ergänzen muss zudem, dass die C3- Baureihe gerade in die nächste Generation geht und die Nachfolger von C3 und C3-Aircross in den Startlöchern stehen. Das kann auch schon mal den Zulassungsdruck auf den Vorgänger erhöhen.

Peugeot konnte trotz des guten Gesamtergebnisses kein Modell in den TOP 5 platzieren. Meistverkauftes Modell der Franzosen war der 2008, der mit 7.614 Neuzulassungen im inoffiziellen Stellantis-Ranking auf Platz 9 landen würde.

Zusammenfassung

Stellantis muss sich wie alle Hersteller mit schwierigen Bedingungen auseinandersetzen, hat dabei aber den grundsätzlichen Nachteil, dass man stark von den Verkäufen in Europa und den USA abhängig ist. Läuft es in beiden Regionen zur gleichen Zeit nicht optimal, kann das nur schwer ausgeglichen werden. In Europa konnte man die Verkäufe im ersten Halbjahr 2024 wieder leicht steigern (vs. H2 23), aber bleibt immer noch unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums (H1 2023)

Fiat ist in hohem Maße abhängig vom Verkaufserfolg in Italien, die großen französischen Marken und Opel sind etwa unabhängiger von ihren Heimatmärkten. In Summe konnte man in Europa die Verkäufe konstant halten, verliert aber Marktanteil. Die Position als zweitgrößter Hersteller ist dort aber unangefochten.

In Deutschland entwickelt sich die Gruppe deutlich positiver und fast alle Marken können teilweise deutlich zulegen. Citroen und Peugeot sind hier klar hervorzuheben. Opel steht als deutsche Marke trotzdem für den Großteil der Verkäufe, Fiat, Peugeot und Citroen folgen eng zusammen auf den Plätz 2 bis 4. Die vier genannten stehen für fast 94% der Verkaufsvolumen und verweisen die anderen Konzernmarken wie Jeep, Alfa Romeo oder DS damit klar an die Seitenlinie.

Der Verkaufserfolg der großen Stellantis-Marken geht im Vergleich zum Gesamtmarkt allerdings oft auf taktische Neuzulassungen zurück. Die Verkaufskanäle Autohaus und Vermieter werden stärker beansprucht als im Marktdurchschnitt. Dabei verhalten sich die einzelnen Marken jedoch unterschiedlich. Peugeot fällt positiv auf mit einem eher durchschnittlichen Verkaufsmix ohne viel Taktik.

Wichtigste Modelle des französisch-italienisch-amerikanischen Konzerns in Deutschland sind Opel Astra, Opel Corsa, Fiat Ducato, Fiat 500 und Citroen C3.

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