Keine Förderung, keine Elektrowende? Was wird in 2024 aus der Elektromobilität?
Puh, da muss man erstmal durchatmen. Die letzten Wochen waren eine ziemliche Achterbahnfahrt. Die Förderung für Elektroautos (BEV) in Deutschland wurde kurzerhand und überraschend gestoppt. Und das in einer Auto-Nation, die sich selbst das ambitionierte Ziel von mindestens 15 Millionen vollelektrischen Pkw bis 2030 im Fahrzeugbestand gegeben hat.
Die Hintergründe für die spontane Vollbremsung sind hinlänglich bekannt und trivial: Es fehlt Geld. Aber was bedeutet diese neue Situation nun für die Elektrowende? Wird 2024 ein verlorenes Jahr auf dem Weg hin zu 15 Millionen Elektroautos auf unseren Straßen? Und was wurde überhaupt bisher erreicht?
Hoher Umweltbonus hat die Elektrowende eingeläutet
Unbestreitbar ist, dass die Erhöhung des staatlichen Anteils am Umweltbonus zur Jahresmitte 2020 den Durchbruch der Elektromobilität in Deutschland eingeläutet hat. Der ab dann verfügbare maximale Bonus von etwa 9.500 Euro hat E-Autos trotz der batteriebedingten hohen Fahrzeugpreise für viele erschwinglich gemacht. Zusätzlich kamen immer mehr vollelektrische Modelle auf den Markt. Mittlerweile sind 1,3 Millionen BEV auf deutschen Straßen unterwegs, ihr Anteil am Fahrzeugbestand hat sich seit Mitte 2020 mehr als verfünffacht (siehe Diagramm 1).
Mit dem in der EU beschlossenen Verbrenner-Aus im Jahr 2035 waren beziehungsweise sind Weichen für eine vollelektrische Zukunft gestellt. Hinzu kam die für 2025 geplante Abgasnorm Euro 7, die klassische Verbrenner nochmal teuer und damit unattraktiver gemacht hätte
Kommt die Elektrowende ins Stocken?
Tatsächlich erhält man aktuell aber gemischte Signale zur rein elektrischen Zukunft. Etwa zur gleichen Zeit zum wenig schmeichelhaften abrupten Förderstopp für Elektroautos hat man sich auf europäischer Ebene für eine Abschwächung der ursprünglich für 2025 geplanten Euro 7 Abgasnorm geeinigt. Diese kommt jetzt für Pkw nicht nur ein Jahr später, sondern auch weniger streng als in der Industrie befürchtet. Eine gute umfassende Übersicht zum jetzt vereinbarten Kompromiss findet sich beim ADAC.
Also weniger strenge Regeln für Verbrenner in der EU und keine Förderung mehr für Elektroautos in Deutschland. Im Ergebnis wird Elektromobilität weniger attraktiv gegenüber konventionellen Antrieben. Das stimmt aber nur dann, wenn die Hersteller den Wegfall der Förderung nicht anderweitig kompensieren, zum Beispiel durch höhere Rabatte oder Preissenkungen.
Preissenkung oder Rabattschlacht – was passiert nach dem Ende des Umweltbonus?
Nun haben viele Hersteller ihren Kundinnen und Kunden in Deutschland zumindest kurzfristig ausgeholfen und zahlen den Umweltbonus in voller Höhe für bereits bestellte Fahrzeuge, die nach dem Stopp der staatlichen Förderung jetzt eigentlich nicht mehr berechtigt wären. Die meisten Hersteller schützen so Bestellungen bis einschließlich 18.12.2023 (dem Tag des Förderungsendes) oder aber 31.12.2023.
Es zeigt sich aber, dass jetzt die ersten Hersteller auch mit Preissenkungen oder eigenen Prämien (also transparenten Rabatten) arbeiten und so oft den Wegfall der staatlichen Förderung vollständig kompensieren. Natürlich sind das am Ende lediglich Verkaufsaktionen, und es wird sich zeigen müssen, wie lange die Autohersteller diese Rabattschlachten aushalten können oder wollen.
Wie es also mit der Elektrowende weitergeht, ist weiterhin unklar, und auch ob das Ende des staatlichen Umweltbonus wirklich zu deutlich rückläufigen Verläufen führt, muss sich erst noch zeigen. Bis Mitte Dezember konnten die meisten E-Auto-Interessenten zumindest davon ausgehen, dass sich der Bonus deutlich reduziert (hier gibt es eine Übersicht zur ursprünglich geplanten Änderung des Umweltbonus). Die Kürzung der Prämie um etwa 2.400 Euro war für den Jahreswechsel vorgesehen und hat in jedem Fall für einen Vorzieheffekt gesorgt. Allein dadurch werden sich die Verkäufe zu Beginn des Jahres deutlich reduzieren. Dieser Effekt war bei der letzten Kürzung der Umweltprämie zu Beginn 2023 auch schon zu beobachten. Auch der Wegfall der Förderung für gewerbliche Käufer (seit September 2023) ist sehr deutlich zu erkennen, ebenso wie der dazugehörige Vorzieheffekt im August (siehe Diagramm 2).
Bei all dem, darf man natürlich nicht vergessen, dass batterieelektrische Fahrzeuge in Deutschland immer noch auf andere Arten gefördert werden. Zum Beispiel sind sie bis Ende 2030 von der Kfz-Steuer befreit und auch die pauschale Versteuerung des geldwerten Vorteils für Elektro-Dienstwagen ist weiterhin sehr attraktiv. Wer ein Elektroauto als Dienstwagen fährt, versteuert nur 0,25% des Fahrzeugpreises und nicht 1%, wie bei normalen Verbrennern.
Kurzfristig ist es unwahrscheinlich, dass sich im Elektromarkt eine Aufwärtsdynamik einstellt, auch wenn immer mehr Hersteller mit großen Nachlässen oder Preissenkungen locken. Das heißt aber nicht automatisch, dass die Elektrowende jetzt groß ins Stocken gerät, wie es an vielen Stellen aktuell geschrieben oder gesagt wird. Klar ist, dass Hersteller sowie Autokäuferinnen und Autokäufer jetzt ohne die „Stützräder“ einer staatlichen Förderung auskommen müssen. Ob der Markt die Balance hält oder aber eine Bruchlandung hinlegt, wird sich erst nach einigen Monaten zeigen.
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